Forschung

Eine Übersicht über laufende und geplante Therapiestudien gibt es hier. Die Tabelle ist auf Englisch, sollte aber auch ohne Englischkenntnisse relativ gut zu verstehen sein.

Die ME/CFS Research Foundation stellt im ME/CFS Research Register eine Übersicht über die Forschungsprojekte aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz zur Verfügung. Bislang nur in Englisch.

Erklärung von Begriffen aus der Wissenschaft:

Neuigkeiten

Eine Phase-III-Studie für Long Covid

Die klinische Studie des US-amerikanischen Unternehmens Healthbio (ehemals IncellDx) untersucht eine Kombination aus zwei bereits zugelassenen Medikamenten: Maraviroc und Atorvastatin.

Was ist die Hypothese hinter der Studie?
Die Studie basiert auf der Annahme, dass persistierende Immunaktivierung und Entzündungsprozesse eine zentrale Rolle bei Long COVID und möglicherweise auch bei ME/CFS spielen. Dabei steht insbesondere der CCR5-Signalweg im Fokus, ein Mechanismus, der an der Regulation der Immunantwort beteiligt ist. Die Forscher vermuten, dass eine Fehlregulation dieses Systems zu anhaltender Entzündung, Gefäßschäden und neurologischen Symptomen führen kann. Die Behandlung dieser anhaltenden Immunreaktion könnte Symptome wie Fatigue, Dysautonomie und Brain Fog lindern.

Welche Rolle spielen Maraviroc und Atorvastatin?

  • Maraviroc ist ein CCR5-Antagonist, der normalerweise zur Behandlung von HIV eingesetzt wird. In dieser Studie soll es überschießende Immunreaktionen und Entzündungen reduzieren.
  • Atorvastatin, ein weit verbreitetes Statin, senkt nicht nur den Cholesterinspiegel, sondern wirkt auch entzündungshemmend und könnte vaskuläre Entzündungen sowie Gefäßschäden mindern.

Die Kombination aus Maraviroc und Atorvastatin könnte sich gegenseitig verstärken, indem sie chronische Entzündungen hemmt und die Gefäßfunktion verbessert.

Die aktuelle Studie im Überblick
Die klinische Studie ist eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studie, die die Wirksamkeit dieser Kombinationstherapie bei Long COVID-Patienten untersucht. Die Teilnehmer erhalten entweder die Kombination aus Maraviroc und Atorvastatin oder ein Placebo, um objektiv bewerten zu können, ob diese Behandlung tatsächlich zu einer Verbesserung der Symptome führt. Eine erfolgreiche Phase-III-Studie wäre entscheidend, da sie die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie in einer großen Patientengruppe unter realen Bedingungen überprüft und im besten Fall zu einer Zulassung als offizielle Behandlung führt.

Was bedeutet das für ME/CFS-Betroffene?
Obwohl die Studie speziell auf Long COVID ausgerichtet ist, gibt es deutliche Überschneidungen mit ME/CFS. Sollte sich die Therapie als wirksam erweisen, könnte sie auch für ME/CFS-Patienten eine vielversprechende Option darstellen.

Die Studie hat soeben mit der Patientenrekrutierung begonnen.

Neuer Bluttest zur Diagnose von Long Covid entwickelt

Ein britisches Unternehmen namens Attomarker, das sich auf diagnostische Gesundheitstechnologien spezialisiert, hat einen Bluttest per Fingerstich entwickelt, der helfen könnte, Long Covid bei Patienten zu bestätigen – ein potenzieller Durchbruch für Diagnose und Behandlung.

Eine neue Diagnosemethode
Der Test kategorisiert Long-Covid-Patienten in drei Gruppen, basierend auf ihrer Immunreaktion.

Ergebnisse des Tests
60 % der Patienten zeigten eine schwache Antikörperreaktion, 15 % hatten eine überaktive Immunreaktion, und 25 % lieferten unklare Ergebnisse.

Warum das wichtig ist
Dies weckt Hoffnung auf gezielte Behandlungen und könnte pharmazeutische Unternehmen dazu ermutigen, verstärkt in die Forschung zu investieren. Ein guter diagnostischer Test erleichtert die Medikamentenentwicklung erheblich, da Patienten mit unterschiedlichen Subtypen gezielt behandelt werden können.

Prüfung vor der breiten Anwendung
Der COVID-Experte Prof. David Strain warnt:
“Nur weil es einen Test gibt, heißt das nicht, dass er sofort flächendeckend eingesetzt werden sollte. Es braucht eine größere Studie […] Der richtige Weg wäre nun, rund 300 Patienten zu testen, sie in die entsprechenden Gruppen einzuteilen, sie zu behandeln und zu beobachten, ob sie sich verbessern.”

Wenn sich der Test in größeren Studien bewährt, könnte dies ein entscheidender Fortschritt im Umgang mit Long Covid sein – doch weitere Forschung ist notwendig.

Aktueller Forschungsstand der Scheibenbogen/Wirth-Hypothese

Laut der Hypothese von Prof. Carmen Scheibenbogen und Prof. Klaus Wirth werden die Muskeln von ME/CFS-Betroffenen schlechter durchblutet, was zu einem Sauerstoffmangel (Ischämie) führt. Dieser Sauerstoffmangel führt wiederum zu einem erhöhtem Natrium- und Kalziumgehalt in den Muskelzellen, was die Funktion der Mitochondrien – der „Kraftwerke“ der Zellen – beeinträchtigt. Infolgedessen kann die Energieproduktion in den Muskeln nicht mehr richtig ablaufen. Sind diese Störungen stark genug, kann der Patient in einen Teufelskreis geraten, der durch Anstrengung verschlimmert wird. 

Nun haben die beiden den aktuellen Forschungsstand zu diesem Thema zusammengefasst. 

  • Es gibt starke Hinweise auf Störungen der Mitochondrien in den Muskelzellen.
  • Muskelbiopsien, die einen Tag nach körperlicher Belastung entnommen wurden, zeigen gleichzeitig Nekrosen und Regeneration. Dies ist ein Hinweis auf wiederholte Schädigungen und auf die post-exertionelle Malaise.
  • Eine MRT-Studie zeigte, dass Natrium in den Muskelzellen von ME/CFS-Patienten erhöht ist. Dieser Befund stützt die Hypothese der Natrium- und Kalziumüberladung als Ursache für Muskel- und Mitochondrienschäden. 

Prof. Wirth hat Anfang des Jahres ein Start-up namens Mitodicure gegründet, um Medikamente zu entwickeln, die auf die Beseitigung der Natrium- und Kalziumüberladung in den Muskelzellen abziehlen.

Neue große Biomarker-Studie für ME/CFS

Die Open Medicine Foundation (OMF) wird eine neue Studie zu ME/CFS starten, um die Diagnose zu verbessern. 

Das Ziel der Studie ist es, einen Biomarker für ME/CFS zu finden, der durch einen Bluttest erfasst werden kann und die Krankheit von ähnlichen Erkrankungen unterscheidet.

Das Studienteam plant, über 10.000 Proteine und Stoffwechselprodukte in Blutproben von bis zu 1.200 Patienten und Kontrollpersonen zu messen, die bereits gesammelt und gelagert wurden. Dann werden die Forscher mit Hilfe von Bioinformatik und künstlicher Intelligenz versuchen, einen Biomarker aus 5-20 Proteinen und Metaboliten zu identifizieren, der einzigartig für ME/CFS ist.

Ein Biomarker wäre entscheidend für ME/CFS, da er eine objektive Diagnose ermöglichen und die bisherige Abhängigkeit von subjektiven Symptombeschreibungen ersetzen könnte. Zudem würde er die Abgrenzung zu anderen Erkrankungen erleichtern, die Erforschung zugrunde liegender biologischer Mechanismen vorantreiben und gezielte, evidenzbasierte Therapien ermöglichen.

Neue Studie zeigt erschöpfte T-Zellen bei ME/CFS

T-Zellen sind spezialisierte weiße Blutkörperchen, die als zentrale Verteidiger unseres Immunsystems fungieren. Sie erkennen und bekämpfen Krankheitserreger wie Viren, Bakterien und Krebszellen, indem sie den Körper nach verdächtigen Zellen absuchen um sie gezielt zu eliminieren.

Eine aktuelle Studie hat nun weitere Evidenz für eine Erschöpfung der T-Zellen bei Menschen mit ME/CFS gefunden. Die Forscher analysierten Hunderttausende von Zellen von 28 ME-Betroffenen und stellten fest, dass T-Zellen nicht nur eine Veranlagung zur Erschöpfung aufwiesen, sondern dass die Marker für diese Erschöpfung nach körperlicher Anstrengung verstärkt auftraten. „Unsere Ergebnisse stimmen mit der Hypothese überein, dass chronische Virusinfektionen ein Faktor bei ME sind“, schrieben die Autoren der Studie. 

Die Ergebnisse legen nahe, dass Checkpoint-Inhibitor-Therapien, metabolische Interventionen und Medikamente, die auf chronische Virusinfektionen abzielen, vielversprechende Therapien für diese Krankheit sein könnten.

Die neuen Forschungsprojekte des BMBF

Das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat 21 neue Forschungsprojekte zu den Pathomechanismen von ME/CFS veröffentlicht, die mit insgesamt bis zu 15 Mio. € gefördert wertden. Diese Projekte verteilen sich auf 6 Forschungsverbünde und einem Einzelprojekt.

FAME – Funktionelle Autoantikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren bei Betroffenen mit ME/CFS
Das Forschungsprojekt untersucht die Rolle von Autoantikörpern gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) bei der Entstehung von ME/CFS. Ziel ist es, neue Tests zum Nachweis dieser Antikörper zu entwickeln und zu klären, wie häufig sie bei ME/CFS-Patienten vorkommen und ob sie mit den klinischen Symptomen korrelieren.

BioSig-PEM – Identifizierung biopathologischer Signaturen von Post-Exertional Malaise bei ME/CFS
Der Forschungsverbund BioSig-PEM untersucht die Post-Exertional Malaise (PEM). Mithilfe von Fitnesstrackern, molekularen und immunologischen, sowie bildgebenden Methoden sollen biologische Marker für PEM identifiziert werden.

CURE-ME – Charakterisierung von Autoimmunantworten zur Identifizierung von Targets in ME/CFS
Dieser Forschungsverbund untersucht die Entstehung von ME/CFS durch die Analyse von Epstein-Barr-Virus-induzierten Autoimmunprozessen bei Jugendlichen und Erwachsenen. Ziel ist es, die bislang unbekannten Mechanismen der Erkrankung zu verstehen, spezifische Immunzellen zu identifizieren und potenzielle Biomarker zu entwickeln. 

MIRACLE – Klinische Analysen von immunologischen und metabolischen Faktoren bei ME/CFS
In diesem Forschungsverbund, bei dem auch Schwerstbetroffen eingebunden werden, sollen immunologische, inflammatorische und metabolische Signalwege bei ME/CFS untersucht werden. Durch eine umfassende Datenanalyse mittels künstlicher Intelligenz und moderner statistischer Methoden zielt die Studie darauf ab, Ursachen der Erkrankung zu entschlüsseln sowie potenzielle Biomarker und Patientencluster zu identifizieren. 

SERIMM – Serotonin und Immunmodulation in ME/CFS
In diesem Forschungsverbund sollen Hinweise auf einen veränderten Stoffwechsel des Neurotransmitters Serotonin sowie auf eine Fehlregulation des Immunsystems beleuchtet werden. Hierfür ist vorgesehen parallel Proben aus Patientenkohorten und COVID-19-Tiermodellen (Maus, Hamster) zu untersuchen.Weiterhin sollen ME/CFS-spezifische Biomarker entdeckt und mechanistische Studien in den Tiermodellen durchgeführt werden. Dies soll zukünftig das Testen von Wirkstoffen für ME/CFS in Tiermodellen erlauben, und zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze beitragen

SLEEP-NEURO-PATH – Beitrag schlafbezogener Biomarker zur Pathophysiologie von ME/CFS
In diesem Forschungsverbund sollen biologische Mechanismen, die mit Funktionsstörungen des Gehirns bei ME/CFS wie kognitiven Störungen, Fatigue, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Überempfindlichkeit gegenüber Reizen verbunden sind, charakterisiert werden.
Es werden die Nervennetzwerke und Blutgefäße des Gehirns mit Hilfe von Schlafuntersuchungen, bildgebenden Verfahren, sowie biochemischen und genetischen Tests analysiert.

VADYS-ME – Untersuchungen zur Gefäßdysfunktion und Minderperfusion bei Patienten mit ME/CFS
Das Ziel dieses Forschungsverbundes ist es Faktoren und Mechanismen der Gefäßfunktion und Durchblutung bei ME/CF zu untersuchen. Hierzu sollen umfangreiche klinischen Daten mit funktionellen Untersuchungen, komplexen Bildgebungsmethoden und Stoffwechsel- sowie Laboruntersuchungen in verschiedenen Geweben und Organen kombiniert werden. Weiterhin soll der Zusammenhang von Stoffwechselveränderungen und die Funktion der Mitochondrien in den Muskelzellen näher beleuchtet werden.

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