Pacing ist eine Technik des Energiemanagements für Menschen mit ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom). Ziel ist es, Post-Exertional Malaise (PEM) und eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustands zu vermeiden.
Der Begriff „Pacing“ stammt vom englischen „to pace yourself“ (sich zurückhalten). Für Menschen mit ME/CFS wurde dieser Ansatz jedoch weiterentwickelt und zu einer spezifischen Technik des Energiemanagements ausgebaut.
Das Ziel von Pacing
Pacing bedeutet, nur innerhalb der eigenen Belastungsgrenzen aktiv zu sein, um PEM zu vermeiden. PEM ist nicht nur eine vorübergehende Verschlechterung der Symptome, sondern kann das Aktivitätsniveau über Tage, Wochen oder sogar Monate erheblich reduzieren. Häufige Überlastung birgt zudem das Risiko einer dauerhaften Verschlechterung.
Im Gegensatz zu anderen chronischen Erkrankungen, bei denen man sich bis zur Erschöpfung fordern kann, gilt bei ME/CFS: Sobald der Körper signalisiert, dass er eine Pause benötigt, ist die Belastungsgrenze bereits überschritten. Ziel des Pacings ist es, eine Verschlechterung der Symptome gar nicht erst eintreten zu lassen.
Ein häufiger Teufelskreis ist der sogenannte „Push-Crash-Zyklus“: Betroffene überanstrengen sich, erholen sich gerade so und überlasten sich dann erneut – was langfristig zu einem weiteren Abwärtstrend führt. Pacing hilft, diesen Zyklus zu durchbrechen.
Pacing ist keine Therapie, sondern ein Verzicht.
Grundprinzipien des Pacings
- Alle Belastungsarten berücksichtigen:
Nicht nur körperliche, sondern auch mentale und emotionale Anstrengungen – wie Lesen, soziale Interaktionen oder Stresssituationen – können PEM auslösen. - Beende eine Aktivität, bevor du dich erschöpft fühlst:
Überschreite deine Grenzen nicht, selbst wenn du das Gefühl hast, noch weitermachen zu können. - Teile größere Aufgaben in kleine Einheiten auf:
So vermeidest du Überlastung und hältst deine Energie besser im Gleichgewicht. - Plane regelmäßige Pausen ein:
Kurze, geplante Pausen zwischen den Aktivitäten helfen, Erschöpfung vorzubeugen. - Stabilität als Ziel:
Wenn sich durch Pacing Stabilität einstellt, zeigt dies, dass du deine Belastungsgrenzen respektierst. Diese Stabilität ist jedoch kein Freibrief, automatisch mehr zu tun. Jede Steigerung sollte äußerst langsam und vorsichtig erfolgen. - Halte Energiereserven für unerwartete Ereignisse bereit:
Plane Pufferzeiten ein, um spontane Belastungen bewältigen zu können, ohne deine Grenzen zu überschreiten. - Kurzfristig weniger tun, langfristig mehr schaffen:
Überlastung führt oft zu langen Erholungszeiten. Pacing hilft, die verfügbare Energie langfristig effektiver zu nutzen.
Vorsicht vor „Graded Exercise Therapy“ (GET)
Vor einer ansteigende Bewegungstherapie (engl. Graded Exercise Therapy, GET) wird gewarnt, da diese im Widerspruch zu Pacing steht und das Risiko einer nachhaltigen Verschlechterung.birgt.
Mehr dazu findest du in diesem Artikel der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS.
Pacing-Techniken
Patienten nutzen unterschiedliche Ansätze. Hier sind einige bewährte Methoden:
- Überwachung der aeroben Schwelle:
Ein tragbarer Herzfrequenzmesser kann dabei helfen, die Herzfrequenz unterhalb eines individuellen Schwellenwerts zu halten. - Wechsel zwischen Aufgabenarten:
Variiere zwischen körperlichen, mentalen und emotionalen Aktivitäten. - Regelmäßige Ruhezeiten einplanen:
Nach jeder Aktivität, insbesondere nach intensiveren Aufgaben. - Vorbereitung auf größere Anstrengungen:
Ruhe im Vorfeld von geplanten Ereignissen maximiert die Funktionsfähigkeit. - Energielevel überwachen:
Schrittzähler oder Apps helfen, die eigene Aktivität besser zu steuern. - Reizarme Ruhephasen:
Plane Zeit ohne äußere Stimulation wie Licht oder Geräusche ein. - Aktivitäten kategorisieren:
Ordne sie nach niedrigem, mittlerem oder hohem Energieaufwand ein und passe deinen Tagesplan an.
Energiesparen im Alltag
Das bewusste Einsparen von Energie im Alltag ist ein zentraler Bestandteil von Pacing. Hier sind einige praktische Tipps, die dir helfen können, deine Kräfte zu schonen:
- Sitzen (oder liegen) statt stehen: Tätigkeiten wie Zähneputzen, Kochen oder Warten lassen sich im Sitzen oft deutlich energiesparender ausführen. Überlege, wo du Sitzgelegenheiten in deinem Alltag integrieren kannst.
- Lärmbelastung und grelles Licht reduzieren: Reize wie Lärm, helles Licht oder intensive Bildschirme können anstrengend sein. Ohrstöpsel, eine Schlafmaske oder eine Sonnenbrille können helfen, deine Sinne zu entlasten und Erholung zu fördern.
- Hilfsmittel nutzen: Greife auf Hilfsmittel zurück, die dir alltägliche Aufgaben erleichtern. Beispiele sind Duschhocker, elektrische Zahnbürsten, Rollstühle, Greifhilfen oder Haushaltsgeräte wie Saugroboter. Auch ergonomische Möbel oder ein elektrisch verstellbares Bett können hilfreich sein.
- Kurze Wege schaffen: Organisiere deinen Wohnraum so, dass häufig benötigte Gegenstände griffbereit sind. Überlege, ob du mehrere Sets von Alltagsgegenständen (z. B. Wasserflaschen, Medikamente) an verschiedenen Stellen deponieren kannst, um unnötige Wege zu vermeiden.
- Körperhaltung anpassen: Vermeide Aktivitäten, die dich zwingen, deine Arme über Schulterhöhe zu halten, da dies besonders ermüdend ist. Verwende Hilfsmittel wie einen Duschkopfhalter oder eine Greifzange, um Bewegungen zu reduzieren.
- Einfache Alternativen finden: Ersetze energieintensive Tätigkeiten durch einfachere Alternativen, etwa durch Fertigmahlzeiten oder vorgewaschenes Gemüse. Plane Mahlzeiten, die weniger Aufwand erfordern.
- Reizarme Rückzugsorte schaffen: Gestalte einen Bereich in deinem Zuhause, der dich vor Lärm, Licht und anderen Reizen schützt. Hier kannst du dich erholen, ohne zusätzliche Energie zu verbrauchen.
Weitere Informationen zum Thema Pacing gibt es bei der Deutschen Gessellschaft für ME/CFS und MillionsMissing Deutschland.
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